Kateryna Timokhinas Leben dreht sich um die Musik. In eine Musikerfamilie hineingeboren, spielte sie bereits im Alter von 12 Jahren als Solistin mit dem Staatsorchester Camerata Kiew. Wärend sie ihr Studium in Kiew und in der Schweiz absolvierte – unter anderem an der Zürcher Hochschule der Künste – trat sie auch mit der Philharmonie Kiew, den ZHDK Strings, dem Plovdiv Symphonieorchester (Bulgarien) und der Orchestergesellschaft Zürich auf. Für ihr unzweifelhaftes Talent sprechen die vielen Preise, die sie bereits gewonnen hat und ihre Auftritte für Persönlichkeiten wie Roger Federer.
Heute verbindet sie ihre Auftritte ihres Streichquartetts KLAN bei den Candlelight Zürich Konzerten mit dem Violinunterricht. Und obwohl sie so viel zu tun hat, hat sie Zeit gefunden, sich mit uns zu treffen und uns über ihr Leben, ihre Leidenschaft für die Violine und das Unterrichten sowie ihre absolute Liebe zu Vivaldi zu erzählen.
Frage: Was hat dich dazu bewegt, eine Karriere als Violinistin einzuschlagen?
Antwort: Als Kind überlegt man sich nicht unbedingt, eine Musiker-Karriere einzuschlagen. Was ich wusste, war, dass ich unbedingt auf der Bühne stehen wollte. Ich hatte als kleines Kind auch Ballett getanzt und sang zusätzlich zur Musikschule in einem Chor. Ich wollte zu diesem Zeitpunkt noch nicht Violinistin werden, aber ich wollte unbedingt auf der Bühne stehen.
F: Was ist deine erste Erinnerung daran, dass du wirklich Spaß am Violinspiel hattest?
A: Meine Mutter erzählt mir oft diese Geschichte, ich weiss aber nicht, ob sie wirklich wahr ist: Als ich noch drei Jahre alt war, bin ich zum Klavier gegangen und habe versucht, es zu anzuheben. Da habe ich gesagt: „Nein, es ist zu schwer. Das kann ich nicht tragen!“ Dann bin ich zum Geigenkasten gegangen und habe ihn aufgehoben. Dazu meinte ich: „Ja, das ist viel leichter! Das nehme ich!“ Viel mehr weiss ich nicht. Ich musste aber regelmässig üben, auch als Kind.
«Vivaldis «Vier Jahreszeiten» ist so vielseitig, dass man immer etwas Neues entdecken kann.»
F: Wie viele Instrumente hast du gespielt, bevor du dich für die Geige entschieden hast?
A: Ich stamme aus einer Musikerfamilie, und Musik war bei uns zu Hause immer zu hören. In der Ukraine ist es so, dass alle Kinder, die mit einem Streichinstrument beginnen, auch Klavierkenntnisse haben müssen. Man kann das nicht abwählen. Meine Mutter ist eine Opernsängerin und ich habe stets mitgesungen. Mein Vater spielt Tuba, das ist jedoch für ein kleines Kind viel zu gross. Außerdem habe ich auch probiert zu dirigieren.
F: Du hast bereits mit 12 Jahren mit dem Staatsorchester Camerata Kiew gespielt und bist aber später in die Schweiz gezogen. Wie kam es dazu?
A: Ich habe meinen Dozenten, Rudolf Koelman, in einer Sommerakademie kennengelernt und wollte unbedingt bei ihm in der Schweiz studieren. Seine Aufnahmen haben mich fasziniert. Ausserdem war ich bereits als Kind öfters in der Schweiz. Hier habe ich an verschiedenen Sommerlagern, Orchersterlagern usw. teilgenommen. Ich muss sagen, diese Kurse sind hier toll organisiert.
«Ich finde alles besonders an Zürich. Nur schon die Natur ist fantastisch.»
F: Du hast in Zürich studiert und bist in vielen Konzerten aufgetreten. Gibt es für dich etwas Besonderes an der Stadt?
A: Ich wohne in Winterthur, aber ich finde alles besonders an Zürich. Nur schon die Natur ist fantastisch. Der See mit den Schwänen, man sieht die Alpen… Zudem ist der kulturelle Austausch enorm. Es ist so international.
Die Archtiektur und die Vielfältigkeit der kulinarischen Angebote gefallen mir ebenfalls sehr.
F: Gibt es ein klassisches oder modernes Musikstück, das du besonders magst?
A: Für mich ist Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ das Werk, das ich am meisten mag und immer wieder gerne spiele. Ich habe es schon hundertmal gespielt und habe nie genug davon. Es ist wie eine perfekte Ehe. Aber auch die «Méditation» aus der Oper «Thaïs» von Jules Massenet spiele ich gerne. Ich liebe beide Werke.
F: Was gefällt dir an diesen beiden Werken so gut?
A: Ganz banal: Sie sind einfach unglaublich schön. Im Fall von Vivaldi ist das Werk so vielseitig, dass man immer etwas Neues entdecken kann und die «Méditation» ist einfach sehr schön für die Violine geschrieben. Für mich eines der besten Geigensolos aus einem Opernstück das je geschrieben wurde.
«Klassische Musik ist wie eine Rückkehr zu den Ursprüngen – wie «back to the roots» gehen.»
F: Gibt es ein Konzert, an das du dich besonders erinnerst?
A: Sogar mehrere. Das Erste, als ich noch ein Kind war. Mein Debüt mit dem Staatsorchester Camerata Kiew bleibt einfach immer in Erinnerung.
Das Zweite war mit meinem ehemaligen Dozenten in Italien. Wir haben in der Toskana mit den ZHDK-Strings ein Doppelkonzert gespielt. Das war toll.
Das Dritte war mein Solistendiplomkonzert. Es ist eine Art Prüfung, in der man ein Konzert spielt. Das fand an einem Montag um 13:00 Uhr statt. Da arbeitet doch jeder. Ich hatte kurz davor die Einladungen verschickt und habe die Leute gebeten, mich zu unterstützen. Dennoch dachte ich, es würden nur zwei, drei Bekannte kommen. Als ich aber auf die Bühne gestiegen bin, saßen hundertfünfzig Personen im Saal. Mir sind fast die Tränen gekommen. Das ist, was die Musik macht: Sie verbindet und vereint Leute.
F: Gibt es etwas, das die Candlelight-Konzerte für dich als Künstlerin besonders macht?
A: Ich musste mich erstmal an die Dunkelheit gewöhnen. Aber das macht es auch wahnsinnig besonders für die Zuhörer. Man kann wirklich in eine andere Welt eintauchen. Da es nur das Kerzenlicht gibt, kann man sich viel besser auf die Musik konzentrieren und diese feinen musikalischen Farben besser hören. Zusätzlich lenkt dich niemand ab. Ich bin von der Idee begeistert. Und da diese Konzerte jetzt überall auf der Welt laufen, verbinden sie viele Leute. Das ist, was die Musik macht. Sie verbindet Menschen und bringt sie zusammen.
F: Kannst du auch die Atmosphäre genießen, während du dich auf das Spiel konzentrierst?
A: Sehr. Wie gesagt: Ich musste mich am Anfang daran gewöhnen, aber mittlerweile erlebe ich das Umgekehrte. Gewöhnliche Konzerte sind mir zu stark beleuchtet. [sie lacht]
«Die Violine bringt Vergnügen. Violine lernen macht Spass.»
F: Du bist jetzt seit 12 Jahren Violinlehrerin. Was ist es, das du deinen Schülern am meisten ans Herz legst?
A: Als allererstes, die Einstellung. Die Violine bringt Vergnügen. Violine lernen macht Spass. Das ist mein Motto und die Einstellung, die ich meinen SchülerInnen weiterzugeben versuche. Und das Zweite ist, dass sie regelmässig zum Spielen und Üben kommen.
F: Was gefällt dir besser: Violine spielen oder unterrichten?
A: Für mich ist beides gleich wichtig. Spielen ist für mich eine grosse Inspiration, die ich so meinen SchülerInnen weitergeben kann. Ohne die Eindrücke von der Bühne fehlt mir etwas beim Unterrichten und ohne den Unterricht fehlt mir ein Ort, an dem ich diese Erfahrungen weitergeben kann. Es fühlt sich für mich wie ein natürlicher Kreis an, der nur mit beiden Tätigkeiten funktioniert.
F: Was gefällt dir am Unterrichten am meisten?
A: Am meisten freue ich mich über die Fortschritte meiner SchülerInnen, weil da freue ich mich jeweils mit ihnen mit. Ebenfalls gefällt mir, wenn ich meine SchülerInnen zum Vorspielen vorbereiten kann. Ich liebe es zuzusehen, wenn sie vorspielen. Dabei bin ich aber auch viel nervöser, als wenn ich selbst spiele.
Interessant finde ich auch die Arbeit an der Lockerheit für die Hände. Es ist ein sehr komplexer Prozess und benötigt viel Zeit und Geduld.
F: In all den Jahren, in denen du schon als Lehrerin arbeitest, hast du etwas von deinen Schülern gelernt?
A: Geduld. [sie lächelt] Viel lerne ich vor allem von den Kindern. Sie sind so frei, sie haben keine Hemmungen. Manchmal sagen sie einfach: «Kann ich in dieser Ecke spielen?» oder «Kann ich die Noten umdrehen?». Das ist, was ich an den Kindern bewundere, ohne Hemmungen zu spielen.
Letzte Frage: Wie würdest du jemanden überzeugen, zu einem klassischen Konzert zu kommen?
A: Ich habe bis jetzt noch keinen Menschen kennengelernt, der Vivaldi nicht mag. Die «Vier Jahreszeiten» wurden ja bereits für Heavy Metal oder Popsongs verwendet. Sogar DJs haben Versionen davon gemacht. Ist das nicht ein guter Grund, das Stück im Original zu hören? Klassische Musik ist wie eine Rückkehr zu den Ursprüngen – wie ‹back to the Roots› gehen. Und die Konzerte sind zudem magisch, bei Candlelight sowieso.
Vor Kurzem habe ich meinen Physiotherapeuten zu einem Candlelight Konzert eingeladen. Es war sein erstes klassisches Konzert. Am Ende hat er gemeint, er hätte die ganze Zeit Gänsehaut gehabt. Man muss es einfach probieren.