Es gibt bestimmte Dinge, die wir alle Menschen gemeinsam haben, unabhängig von Zeit und Ort. Die Faszination für farbiges Glas ist definitiv eine davon. Die Römer perfektionierten die Glasmalerei bereits vor Christus, und mehr als zweitausend Jahre später und Hunderte von Kilometern nördlich davon können wir ihre Arbeit und die ihrer Nachfolger bewundern: Das Landesmuseum Zürich zeigt eine Ausstellung, die sich mit der Glasmalerei in der Schweiz im Laufe der Jahrhunderte befasst – sowohl mit den wechselnden Stilen als auch mit ihrer Herstellung.
Eine jahrtausendealte Kunstform
Wie bereits erwähnt, reicht die Verzauberung der Glasmalerei bis in die Antike zurück. Sowohl die Ägypter und die Römer als auch die Phönizier zeichneten sich durch die Herstellung von kleinen farbigen Glasobjekten aus. Doch erst im Mittelalter wurde es zu einer eigenen Kunstform, die als «Bibel des armen Mannes» bezeichnet wurde. Das heisst: ein Kunstwerk in Kirchen und Kathedralen, das geschaffen wurde, um die Lehren der Bibel für eine weitgehend analphabetische Bevölkerung zu veranschaulichen.
Vor allem in der Romanik und Gotik wurden die Darstellungen biblischer Szenen mit der Vergrösserung der Fenster und der damit verbundenen Beleuchtung der Innenräume immer aufwendiger. Mit dem langsamen Rückgang des Baus monumentaler Kathedralen ging jedoch auch die Verwendung von Glasmalerei zurück. Dennoch hat sich diese Kunstform bis heute erhalten, und moderne Künstler erklären, dass sie sich immer wieder von der Verglasung von Kathedralen inspirieren lassen.
Obwohl die Glasmalerei in der Schweiz schon seit Jahrhunderten präsent ist – und Jahrzehnte lang bekannt für die Anfertigung von Glasfenstern mit Darstellungen von Stadtwappen – erreichte sie ihren Höhepunkt erst im 19. und 20. Ein Beispiel: Die Kathedrale St. Nikolaus in Freiburg wurde zwar in mehreren Etappen von 1283 bis 1490 erbaut, ihre wunderschönen Glasfenster stammen jedoch aus der Zeit von 1896 bis 1936. Das gilt auch für das Grossmünster in Zürich: Die Westfenster im Kirchenschiff waren immer weiss gewesen, bis der Künstler Sigmar Polke 2006 sie neu mit charakteristischen abstrakten Mustern gestaltete.
Ein komplexes Handwerk
So schön die Glasmalerei auch ist, es ist die Komplexität ihrer Herstellung, die sie wahrscheinlich so selten macht. Zum einen ist künstlerisches Geschick erforderlich, um ein geeignetes und praktikables Design zu entwerfen, und zum anderen technisches Geschick, um das Stück zu montieren. Ein Fenster muss genau in den Raum passen, für den es hergestellt wird, es muss Wind und Regen standhalten und, vor allem bei grösseren Fenstern, sein eigenes Gewicht tragen können.
Ausserdem ist das Material selbst nicht leicht zu beschaffen: Das Glas muss bei der Herstellung durch Zugabe von Metallsalzen gefärbt und anschliessend auf verschiedene Weise verziert werden. Das gefärbte Glas wird dann zu Glasfenstern verarbeitet, in denen kleine Glasstücke zu Mustern oder Bildern angeordnet werden, die (traditionell) durch Bleibänder zusammengehalten und von einem starren Rahmen getragen werden.
All dies und mehr ist in der Ausstellung im Landesmuseum Zürich zu sehen. Darunter sind unter anderem Bilder und Werkzeuge aus dem Berner Glasmalerei-Atelier Halter, einer 1916 gegründeten Werkstatt, die über Generationen hinweg Glasfenster für verschiedene Schweizer Institutionen angefertigt hat. Zusammen mit der beeindruckenden Glasmalereisammlung des Landesmuseums – eine der grössten der Welt – ergibt sich ein einzigartiger Einblick in die aufwendige Technik und Geschichte dieser Kunst.
Die Ausstellung kann bis zum 3. April besucht werden. Führungen finden samstags von 13:30 bis 14:30 Uhr statt. Die Führungen dauern jeweils eine Stunde. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Landesmuseums Zürich.