Zürich besitzt eine Vielzahl von Wundern, aber keines mit einer Geschichte so voller Kuriositäten, Anekdoten und wenig bekannter Details wie die Wasserkirche.
Das sollte aber keine Überraschung sein. Mit ihren mehr oder weniger 1000 Jahren ist sie ein lebendiges Zeugnis für die Schicksalsschläge der Geschichte dieser Stadt.
1. Die Kirche über dem Wasser
Der Name sagt es deutlich: Die Kirche ist einzigartig, weil sie auf einer kleinen Insel in der Limmat lag. Damals lag das Ufer des Flusses bis zu 28 Meter von der heutigen Stelle zurück. Das ist mehr als ein Drittel der Länge der benachbarten Münsterbrücke. Verschiebt man sie so weit in den Fluss hinein, kann man sich vorstellen, wie es früher war.
2. Die Legende
Die Erbauer haben sich nicht ohne Grund die Mühe gemacht, auf einer Insel zu bauen. Wie die Geschichte erzählt, wurden auf der Insel die Stadtheiligen Felix und Regula hingerichtet, damals, als das Römische Reich die Christen verfolgte. Tatsächlich wurde die Kirche um den Felsen herum gebaut, auf dem die Hinrichtung stattgefunden haben soll.
3. Das Wunderwasser
Aus dem Felsen unter der Kirche entspringt eine Wasserquelle, der heilende Wirkung nachgesagt wurde. Der Grund: Das Blut der beiden Märtyrer sei dort geflossen. Durch die Jahrhunderte hindurch tranken Hunderte von Pilgern auf ihrem Weg nach Rom oder Santiago de Compostela daraus.
Das kann man auch heute noch an dem kreisrunden Brunnen unter dem Helmhaus tun. Wir sind uns immer noch nicht sicher, ob das Wasser noch heilsam ist; wir versuchen es trotzdem weiter.
4. Eine Kirche «á la mode»
In ihren Tausend Jahren Geschichte – manche behaupten sogar mehr – hat die Wasserkirche viele Veränderungen erlebt, vor allem in ihrem Aussehen. Ursprünglich im romanischen Baustil errichtet, wurde sie im 15. Jahrhundert umgestürzt, um wieder im gotischen Stil gebaut zu werden.
Der Umbau des Innenraums 200 Jahre später zu einer barocken Galerie war nicht so traumatisch. Auf jeden Fall zeigt es, wie Zürcher diese Kirche ist: immer á la mode.
5. Die Brücke zur Insel
Ursprünglich war das Helmhaus nicht mehr als ein Dach, das über die hölzerne Brücke gebaut wurde, die zur Insel führte – die Obere Brücke. Im 16. Jahrhundert wurde unter dem Dach ein Haus gebaut. Und erst 1838 hörte man dank der benachbarten Münsterbrücke auf, das Hauptgeschoss zu nutzen, um über den Fluss zu gehen.
6. Die Vorteile des Reichtums
Niemand kann bestreiten, dass viel Geld das Leben einfacher macht. Was nicht viele Menschen wissen, ist, dass es auch den Tod leichter macht. Zumindest ist es das, was wir aus den Gräbern der Adligen lernen können, die rund um den Hinrichtungsfelsen gefunden wurden. In der Nähe eines Heiligen zu liegen scheint kein schlechter Weg zu sein, um sich den Eintritt ins Paradies zu sichern.
7.Funktionsänderungen
Nach der Reformation und der Spaltung der christlichen Kirche wurde die Wasserkirche enteignet und verlor ihre ursprüngliche Nutzung. Altäre, Gemälde und die Orgel wurden abtransportiert und sie wurde zu einem Lagerhaus.
8. Gotteslästerliche Ironie
Es gibt eine Episode im Neuen Testament, in der Jesus die Händler und Geldwechsler aus dem Jerusalemer Tempel vertreibt. Was hätte er wohl getan, wenn er erfahren hätte, dass im Erdgeschoss des ehemaligen Gotteshauses Märkte stattfanden? Oder dass sogar ein Kaufhaus daneben gebaut wurde? Das nennt man dann wohl gotteslästerliche Ironie.
9. Ein Ort des Wissens
1632 wurde ihre Funktion erneut geändert: Sie wurde zu einer der ersten Bürgerbibliotheken der ganzen Schweiz. Aufgrund dieser Veränderung wurde ihr Inneres umgestaltet, um ihr das barocke, filmähnliche Aussehen zu verleihen, das die Intellektualität Zürichs perfekt förderte.
10. Der Kreis schließt sich
Im Jahr 1940 wurde das Gebäude – große Überraschung – erneut renoviert, um es wieder seiner ursprünglichen Funktion zuzuführen. Zu diesem Zweck wurde natürlich das ehemalige Kaufhaus abgerissen. 400 Jahre Blasphemie hatten vielleicht gereicht.